Prachtfinkenzucht Heibges

Nestaufgabe und Findelkinder

Bei vielen Prachtfinkenarten ist die Aufzucht der Nestlinge durch das Zuchtpaar unkompliziert und stellt den Züchter vor keine große Herausforderung. Die Aufzucht von Zebrafinken, Kubafinken, Gouldamadinen, Wellenbauchbronzemännchen, Zwergschiffinken und allen Nonnenarten gelingt fast immer. Erst grundlegende Fehler in Haltung, Pflege oder der Fütterung führen zu unbeabsichtigten Schwierigkeiten in der Zucht dieser Prachtfinkenarten. Bei anderen Arten wie Gemalte Amadinen, Granatastrilde, Amaranten, Schmetterlingsfinken und zuweilen auch Papageiamadinen werden kleinste Mängel in der Zucht sofort reflektiert.

Kaum ein Zuchtproblem ist frustrierender als die Aufgabe eines Nestes nach Schlupf der ersten Vogelküken, oder Nestlinge die außerhalb des Nestes vor gefunden werden. Die eigentlichen Ursachen sind manchmal nur schwer auszumachen und nur durch intensives Beobachten der Zuchtvögel kann der Züchter den Problemen auf den Grund gehen und damit eventuell weitere Schwierigkeiten vermeiden.
Grundsätzlich sind viele Verhaltensweisen der Prachtfinken angeboren und auch das Füttern der Nestlinge folgt in vielen Teilbereichen instinktiven Mustern. Die Häufigkeit der Aufzuchtprobleme gerade bei sehr jungen Zuchtpaaren deuten aber gleichermaßen auf Verhaltensweisen hin, die erlernt werden müssen. Wenn die Nestlinge aus dem Nest getragen werden, ist das für einen Züchter der sich schon auf den Nachwuchs bei seinen Zuchtpaaren gefreut hat, sehr enttäuschend besonders dann, wenn die Nestlinge schon Tod auf dem Boden liegen. Dann ist man sehr schnell geneigt die Schuld bei dem Zuchtpaar zu suchen. Störungen im Aufzuchtverhalten der Elternpaare sind jedoch unbewußt und auf keinen Fall zielstrebig geplant. In den meisten Fällen liegt die eigentliche Ursache in einer unangemessenen Haltung und Pflege der Vögel selbst. Vielleicht helfen die folgenden Beobachtungsbeispiele und Erklärungsansätze, eventuell auftretende Aufzuchtprobleme in der eigenen Zucht richtig zu deuten:

1. Jungvögel schlüpfen, das Nest wird vom Zuchtpaar komplett aufgegeben.

  • Erkrankung des Zuchtpaares oder bei einem Elternteil haben zur Aufgabe des Nestes geführt.
  • Nestlinge sind zu schwach oder sogar krank.
  • Ständige oder lang anhaltende Störungen durch andere Vögel oder durch den Züchter waren zu bedrohlich für das Zuchtpaar.

Ein verendetes Küken wurde auf dem Boden gefunden. Das veränderte Hautbild, die Form des Kopfes und die Zeichnung der Organe im Bauchraum weisen auf eine schwere Stoffwechselstörung hin. Das Küken wurde am rechten Fuß aus dem Nest gezerrt. Blutungen sind dabei nicht entstanden.Dies ist ein eindeutiger Hinweis das Küken war schon tod. Das Zuchtpaar hat völlig korrekt gehandelt. Der Kadaver ist eine Infektionsquelle und damit eine Gefahr für die anderen Nestlinge und musste unbedingt aus dem Nest entfernt werden.  

2. Jungvögel schlüpfen, die Eltern hudern die Nestlinge, sie füttern aber nicht.

  • Jungvögel sperren nicht ausreichend (Schlüsselreiz Bewegung im Nest)
  • Jungvögel schlüpfen im Abstand von mehreren Tagen, die Eltern bleiben fest auf den Eiern liegen, früh geschlüpfte Küken verhungern.
  • Nestübernahme. In Gemeinschaftsvolieren übernehmen Paare ein Nest von einem anderen Zuchtpaar und bebrüten das Gelege. Schlüpfen die Jungvögel fehlt der arttypische Schlüsselreiz durch Rachenzeichnung, Bettelverhalten und Aussehen der Jungvögel. Einige Zuchtpaare ziehen zwar auch artfremde Jungvögel erfolgreich auf, meistens verhungern die Jungvögel jedoch im Nest.

 

3. Jungvögel schlüpfen, die Eltern füttern die Nestlinge, sie hudern aber nicht.

  • Unruhe in der Voliere und Ängstlichkeit beim Zuchtpaar verhindern das erneute Aufsuchen des Nestes, die Jungvögel kühlen aus und sterben mit vollem Kropf
  • Massiver Milbenbefall, gerade die Nordische Vogelmilbe breitet sich außergewöhnlich stark in den Nestern aus.
  • Erkrankung der Jungvögel z.B. Mykosen (Aspergillose) halten die Eltern davon ab das Nest über längere Zeit aufzusuchen.

Ein verendetes Küken wurde auf dem Boden gefunden. Der Kropf ist gut gefüllt, der gelbliche Nahrungsbrei ist unter der Haut am Hals gut sichtbar. Die Hautfarbe auf dem Rücken zeigt Quetschungen.   Auch im Bauchraum und Hals sind die Quetschungen unter der Haut sichtbar. Das Küken wurde vermutlich versehentlich erdrückt  von den Eltern. Unbefruchtete Eier sollte man zum Schutz der Jungvögel noch ein paar Tage im Nest belassen.

4. Jungvögel liegen auf dem Boden in der Nähe des Nestes

  • Unfälle. Ein aufgeschreckter Zuchtvogel, der plötzlich das Nest verläßt reißt versehentlich die winzigen Nestlinge zwischen den Füßen oder unter dem Gefieder mit aus dem Nest. Die Unfallhäufigkeit steigt bei schlechter Fußpflege der Zuchttiere.
    Massiv nach Futter bettelnde etwas ältere Nestlinge verlieren am Nestrand den Halt und fallen aus dem Nest.
  • Das Nest wird nicht ausreichend verteidigt gegenüber Eindringlingen, Jungvögel werden von fremden Paaren aus dem Nest gezerrt
  • Räuber von Nistmaterial in der Gemeinschaftsvoliere zerstören das Nest und Nestlinge fallen dabei aus dem Nest.
  • Mangelhafter Nestbau. Viele Prachtfinken verzichten auf jegliche Nisthilfen und bauen ihre kugelförmigen Nester selbst aus dem zur Verfügung gestelltem Nistmaterial. Besonders Erstlingsnester sind häufig nicht stabil genug gebaut um den ständigen Wechsel von An- und Abflug lange stand zu halten und fallen auseinander. Einige Zuchtpaare wollen vom Nistkasten in den Raum schauen und tragen extrem viel Nistmaterial in die Halbnistkästen ein. Es wird dann keine richtige Nistmulde gebildet und Eier oder Jungtiere werden beim Verlassen des Nestes mit herausgerissen.

5. Jungvögel liegen auf dem Boden weit entfernt vom Nest

  • Direkt nach Schlupf oder sogar teilweise noch in der Eischale werden die Jungvögel als Nestverschmutzung aufgefaßt und aus dem Nest getragen.
  • Erkrankungen oder Defekte bei Nestlingen wurden durch das Zuchtpaar erkannt und entsprechend eliminiert (z.B. Nestlinge mit schwarzem Punkt).
  • Plötzliche Mangelsituation in der Futter- oder Wasserversorgung der Zuchtpaare zwingen Zuchtpaare zu aktiven Reduktionsmaßnahmen.
  • Nachzügler im Schlupftermin, die den Wachstumsvorsprung der anderen Nestlinge nicht mehr aufholen können, werden vorsorglich von den Eltern entfernt.

 

 
Ein verendetes Küken wurde auf dem Boden gefunden. Die blutunterlaufenen Würgespuren am Hals weisen darauf hin, es war noch nicht ganz tod und die Eltern haben es getötet. Die faltige Haut zeigt das Küken hat starken Wassermangel. Die Senkung zwischen Schnabel und Kopf zeigen der Nestling hatte nicht ausreichend Nahrung. Vor dem rechten Vorderbein ist ein kleiner schwarzer Punkt sichtbar. Das Küken war krank und das Zuchtpaar hat völlig richtig gehandelt. Die Überlebenschancen des Nestlings waren von Anfang an sehr gering und er hätte die Geschlechtsreife nicht erreicht. Ein Zuchtpaar muss mit seinen Kräften in freier Natur sparsam haushalten.

 

6. Jungvögel werden zerbissen und aus dem Nest getragen.

  • Es gibt Zuchtvögel, die ihre eigenen Jungvögel als Fremdlinge deuten und bei Schlupf die Küken zerbeißen. Häufig werden die Flügelspitzen, die Füße oder die Schnäbel der Nestlinge zerbissen. Im Nest sieht man die Blutverschmutzungen. Dies ist eine massive Verhaltensstörung und der Verursacher sollte auf keinen Fall weiter in der Zucht bleiben. Leider kann der Vogel oftmals erst bei einem Partnertausch eindeutig zugeordnet werden.

 
Bei diesem Jungvogel wurden die Füße und Flügelspitzen zerbissen. Die Blutverkrustung zeigt der frisch geschlüpfte Jungvogel hat noch gelebt als er maltätriert wurde. Wenn das Küken mit Verspätung geschlüpft ist und die anderen Nestlinge aufgezogen werden ist kein Handlungsbedarf.Wenn es sich hier aber um ein frisch geschlüpftes Küken ohne sichtbare Krankheitszeichen handelt ist es sehr wahrscheinlich, dass auch die später schlüpfenden Küken auf diese Weise zu Tode kommen. Dann sollte das Zuchtpaar vollständig aus der Zucht heraus genommen werden.

 

 

7. Tote Jungvögel werden nach und nach aus dem Nest getragen.

  • Infektionen führen zum vorzeitigen Absterben von Jungvögeln, das Nest wird von dem Zuchtpaaren sauber gehalten.

Leben die auf den Boden aufgefundenen Nestlinge noch, sollte der Züchter sehr schnell eine Entscheidung treffen, wie er auf die beschriebenen Zuchtprobleme reagiert.

Ein Prachtfinken-Nestling der jünger als 1 Woche alt ist, kann die Körpertemperatur noch nicht selbst regeln. Ohne eine zusätzliche Wärmequelle kühlt der kleine Körper innerhalb weniger Minuten unweigerlich aus und der Nestling stirbt. Wenn ich einen Nestling auf dem Boden finde behalte ich ihn erst einmal für einige Minuten in der geschlossen warmen Hand. Ist der Jungvogel aus Versehen aus dem Nest gefallen setzt man ihn am Besten nach dem Aufwärmen wieder zurück in das Nest.